Zeit der Wildhunde

Zeit der Wildhunde

Roman, (c) 2017, 178 Seiten, ISBN-10: 154273021X
ISBN-13: 978-1542730211 - erhältlich bei Amazon - auch als ebook
Paula wurde als Kind vom Vater missbraucht. Kann man lieben nach solchem Trauma? Paula liebt die »falschen« Männer und verschenkt sich: »Liebe einen Mann, der sich wehrt. Liebe innig, liebe verzweifelt, heftig, gierig. Liebe leidend. Ja, es wird Augenblicke geben, in denen du meinst, du hättest seine Seele gewonnen, eine Seele, die er niemals zugeben wird, zu besitzen.«
Die Wildhunde – Phantasie oder Wirklichkeit – begleiten Paula auf ihren Versuchen, der Erinnerung zu entkommen.
»Vor einigen Tagen bin ich in mein Elternhaus zurückgekehrt, die Eltern waren nicht mehr da, der Bruder weit fort.
Ich kam am späten Nachmittag den Weg von der nahen Bahnstation herauf. Durch die hereinbrechende Dämmerung sah ich das Haus dunkel auf der Anhöhe, umstanden von hohen Pappeln, in denen der Wind spielte wie immer und die Nebel wirbelten, und es schien, als schlichen geduckte Schatten dort, aber ich hörte keinen Laut.
Hier wollte ich leben und dem Haus ein neues Gesicht geben. Ich war fortgegangen, jetzt würde ich wiederkommen, einen neuen Anfang zu wagen. All die Jahre hatte ich den Schlüssel sorgfältig in einer Schublade verwahrt. Vor drei Tagen habe ich ihn herausgenommen und lange in der Hand gewogen, den Schlüssel zu meinem Vaterhaus.
Endlich erreichte ich die Anhöhe. Als ich die Stufen zur Eingangstür hinaufging, raschelte es in den Blättern unter den Pappeln und ich erschrak. Aber es war nur eine Katze, sie war nicht schwarz und floh in langen Sätzen davon.
Ich steckte den Schlüssel in das Schloss und drehte ihn langsam. Ein kühler Hauch wehte von den Pappeln heran und machte mich frösteln, dann sprang die Tür auf und für einen Augenblick erstarrte ich. Was würde mich dort drinnen erwarten? Es war wie ein dumpfes Erinnern, etwas lang Vergessenes, das sich wie eine Schlange in mein Gedächtnis wand. Ich wischte es trotzig fort und betrat das Haus.
Als ich am Morgen erwachte, waren die Nebel verflogen. Ich besuchte alle Räume im Haus, roch ihre besonderen Gerüche durch den Staub und erinnerte ihre Geschichten. Und ich sagte Lebewohl dem Großvater, der dort im Ohrensessel gesessen hatte und gelesen, bis er fast erblindet war und mein Bruder ihm vorlesen musste, und Lebewohl zu Sofie, die am Fenster in der Wiege lag mit blauschimmernden Adern unter weißer Haut, so still an jenem Morgen, als der erste Schnee gefallen war.
Lebewohl auch zum Vater, ja auch ihm ein Lebewohl. Ich sehe sein Gesicht nicht. Wann werde ich endlich die Schritte vergessen, die barfuß auf hölzernen Dielen tappten im Dunkel, und vergessen die Türklinke, die – gut geölt – sich fast lautlos drehte in jenen Nächten, wenn der Wind um das Haus orgelte und alle anderen Geräusche verschlang.
Einen Abschiedskuss im Gedenken meiner traurigen Mutter, mit Strengefalten um den Mund, die in ihrer Sehnsucht erstarrt war und die verzweifelt Augen und Ohren verschloss.«